Einen Tag nach meinem letzten ausführlichen Bericht, also am 13.09., war ich mit unserem Jugenddienstleitern und den anderen ATS des Clubs bei den Behörden wegen der Migration. Seitdem verfüge ich über einen waschechten ecuadorianischen Ausweis!
Wenige Tage später habe ich dann auch mein erstes Fresspäckchen von meinen Eltern bekommen. Habe mich riesig gefreut und ein Großteil der Inhalte hat nicht lang überlebt ;-)
Am selben Tag bin ich noch mit meinen Gasteltern auf einer Art Geschäftsessen gewesen, was aber nicht langweilig war, da auch ein paar jüngere Leute dort waren, mit denen ich mich ein wenig unterhalten konnte. Außerdem aßen wir nicht in irgendeinem Restaurant, sondern in einem, das auf einem kleineren Berg über Quito liegt, wo eine recht große Statue herumsteht, die sich "Panecillo" nennt. Bei Nacht natürlich daher eine grandiose Sicht über das durch Häuser und Straßenlaternen beleuchtete Quito!
Am 17.09. veranstaltete unsere Klasse eine kleine Begrüßung für uns ATS an der Schule. War wirklich lieb, da wir nach der Schule gemeinsam etwas gegessen haben und jeder von uns eine schöne Karte sowie ein kleines Present bekommen hat. Mir schenkte man einen tollen grünen und noch dazu selbstgemachten Schal.
Einen Tag darauf waren wir auf unserer ersten südamerikanischen Fiesta eingeladen, die bei einer Freundin aus der Schule wegen ihres 18. Geburtstags geschmissen wurde. Auch ganz interessant: Ihr Geburtstag war erst 2 Tage später, aber da man unter der Woche ja nicht feiern kann, feiert man hier einfach schonmal vor!!! :D
Nun zu meinem Geburtstag am 25. September:
Eindeutig war dieser Tag für mich der schwerste bislang. Ich meine: es ist unglaublich hart seinen Tag nicht wie 15 Jahre zuvor im Kreise seiner Familie und Freunde feiern zu können! Trotz allem habe ich den Tag letztlich sehr schön verbracht mit einem genialen Schokokuchen, familiärem Abendessen und und und! Einige Tage verspätet aber nicht minder begeistert habe ich dann auch noch zwei Geburtstagspäckchen aus Deutschland empfangen!
Das wohl Spektakulärste bislang ereignete sich am Donnerstag, den 30.09. Ganz Ecuador war in Aufruhe, da die gesamte Landespolizei in den Streik gezogen war. Grund dafür war der Beschluss der Regierung den Polizisten einen Zuschuss zu streichen. Aufgrund dessen haben sie die Polizeizentrale besetzt sowie die Startbahn des Flughafens hier in Quito blockiert. Der Präsident begab sich daraufhin in die Menge der meuternden Polizisten, den Dialog suchend. Die Polizisten allerdings griffen ihn an; er wurde verletzt und musste in das nahegelegene Polizeikrankenhaus gebracht werden. Dort wurde er dann ersteinmal festgehalten.
Da das Land zu diesem Zeitpunkt nicht unter Polizeischutz stand, wurde der Großteil der Geschäfte sowie Banken u.Ä. geschlossen, da es viele Menschen gab, die die Situation ausnutzten und Läden ausraubten. Gegen Mittag wurde dann sogar der Ausnahmezustand für ersteinmal eine Woche ausgerufen. In vielen Schulen wurde der Unterricht frühzeitig abgebrochen, Eltern holten ihre Kinder ab: es herrschte Chaos. (An meiner Schule war dies nicht der Fall. [Möglicherweise, weil ich mich hier ja nicht direkt in Quito sondern in einem Tal außerhalb befinde.] Während der Unterrichtszeit kriegte ich lediglich von meinen Klassenkameraden mit, dass irgendjemand streikt. Zuhause angekommen kam mir dann, durch alle drei Fernseher im Haus berichtet, zu Ohren, was wirklich los war. Übrigens waren in dieser Zeit auch alle Privatsender dazu verpflichtet, die Sondersendungen auszustrahlen, sodass man in dem Zeitraum an den Informationen gar nicht vorbeikam!) Gegen Abend ist der Präsident dann unter Schusswechseln aus dem Hospital durch das Militär befreit worden. Wenige Menschen verloren dabei ihr Leben, einige wurden, unter anderem durch Schüsse, verletzt. Später hielt der Staatschef von seinem Palast aus noch eine Rede an seine, ihm vom Platz davor zujubelnden, Anhänger.
Meines Wissens nach ist es nach wie vor ungeklärt, ob es wirklich ein Putschversuch war oder nicht.
In den folgenden Tagen beruhigte sich die Lage aber schon langsam wieder. Am Freitag blieben aber jedoch noch alle Schulen und auch Unis geschlossen. Die meisten Geschäfte öffneten aber schon wieder ihre Pforten.
Nach meinem Gefühl ist aber insgesamt wieder ziemlich schnell Ruhe und Ordnung eingekehrt. Aber ein komisches Gefühl war es allemal auf einmal so hautnah an solchen Geschehnissen dran zu sein, die man sonst nur aus den Nachrichten im Fernsehen kennt, wo es immer so weit weg erscheint. Ich meine: mit dem Auto sind es von mir aus nur gute 30 Minuten bis ins Zentrum des Geschehens!
Um mich brauchte sich auf jeden Fall niemand sorgen. Hier bei uns war die Lage recht unproblematisch.
Am folgenden Wochenende ging es für mich nach Otavalo mit meiner Gastmama, meiner Gastschwester, Jeniffer und unserem Fahrer. Otavalo ist ein kleines Örtchen, nördlich von Quito. Mit dem Auto waren es rund 2- 2 1/2 Stunden Anfahrt. Dieses Örtchen hat einen mehr als eindrucksvollen Kunstmarkt, der farbenprächtiger kaum sein könnte! So gibt es dort handgemachten Schmuck, Taschen, Kleidung und diverse Souvenirs zu wirklich erschwinglichen Preisen. Vielleicht bei meiner "Beute" ersichtlich: zwei urbequeme Stoffhosen für zusammen 10$, zwei Taschen ebenfalls zu dem Preis, ein Pullover aus Alpakawolle für 12$ sowie 3 Armbänder für 1$. Da kann man meines Erachtens nach nicht meckern und der Ausflug hat mir dementsprechend wirklich mehr als gut gefallen!
Auf dem Rückweg machten wir noch Halt in einem anderen kleinen Städtchen, wo es -wie es mir erschien- wirklich nur Geschäfte mit Lederwaren jeglicher Art gab. Gekauft habe ich dort aber nichts; dafür waren mir die Preise zu abgehoben.
Am 6.10. waren wir Austauschschüler das erste Mal zu einem Treffen unseres Rotary Clubs eingeladen. Das war ziemlich unspektakulär, da es im Prinzip eines der normalen wöchentlichen Clubtreffen war und somit nicht viele interessante Themen für uns dabei waren. Dort gab es dann schließlich auch noch ein Abendessen, auf das Lena und ich leider beim Besten Willen großteils verzichten mussten, da wir am Nachmittag schon eine kleine Fressorgie hinter uns gebracht hatten: Dank Mama und Papa, die mir einen Spätzlehobel hatten zukommen lassen, konnten wir ganz wunderbare Käsespätzle kochen! Und...nun ja...Wir haben dann auch mal eben die Portion für vier Personen zu zweit verdrückt...:D Wenn ihr jetzt schon denkt: wow!...zu früh ge"wowt"! Ist ja nicht so, dass wir uns mit einem Hauptgang zufrieden geben. Aufgrund dessen haben wir uns dann noch an einem Apfelstrudel versucht, der nach "omaschem" Originalrezept und Unterrichtsstunden vor dem Abflug eigentlich auch hätte gelingen sollen. Allerdings machten uns einige Faktoren einen Strich durch die Rechnung:
- Wie bitte soll man 1/8 Liter abmessen, wenn die Küche, die man gerade nutzt, nicht über einen Messbecher verfügt?
- Wie bitte soll man einen, durch vage abgemessene Wassermenge, sehr widerwilligen Teig ohne Nudelholz in die gewünschte Dicke beziehungsweise in diesem Fall Dünne bekommen?
- Wie bitte soll man die Füllung so lecker gestalten, wenn es in so einem Land wie Ecuador im Supermarkt keinen Rahm zu kaufen gibt?
- Wie bitte soll man sich richtig ein Bild über die notwendige Backzeit machen, wenn der Gasofen leider nicht (mehr) erkennen lässt, auf wie viel Grad Celsius er heizt?
Kleine Antwortliste: 1.) Pi mal Daumen! 2.) Mit den Händen daraufklopfen was das Zeug hält; mit zwei Personen an allen Ecken und Enden ziehen...bis der Teig nicht mehr als ein einziges Netz ist :D 3.) einfach weglassen! 4.) weibliche Intuition hat fast noch nie geschadet.
Das Ergebnis war dann halt ein seeehr knuspriger, dick"teigiger" Strudel, der mit Äpfeln, Butter, Semmelbröseln sowie Zimt und Zucker gefüllt ist! Und was ist hier sowieso das Motto für alles, was wir hier erleben?
Es ist nicht besser, auch nicht schlechter: Es ist ANDERS (als wir es kennen)!
Das darauf folgende Wochenende nutzte ich mit meiner Familie für einen schönen Sonntagsausflug. Dieses Mal wurde ich zum Teleférico, einer Seilbahn in der Nähe von Quito, geführt. Hoch fuhr aber nur Carla mit mir; meine Gasteltern warteten am Fuße des Berges. In der Gondel ging es dann auf luftige 4.100 Höhenmeter. Und das "luftige" ist nicht nur so dahin gesagt. War wirklich recht frisch dort oben und der Wind pustete einem gut um die Ohren!
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